Grossvater hatte einen Berner Grind
den ich als Kind
ab und an mit der Schere gestutzt
und aus dem Nacken die geschnittenen Haare geputzt
Und weil er während dieser ernsten Prozedur
ständig palaverte und nicht eine Minute nur
stillhalten konnte, fiel das Resultat bescheiden gesagt
etwas haarsträubend aus und ich war geplagt
von Gewissensbissen und gleichzeitig rann
mir und dem ergrauten Mann
die Träne vor Lachen die Wange runter
herrlich war`s und fröhlich-munter
Mit Grossvater ass ich Fleischkäse mit Mayonnaise
und lauschte mit ihm in der Stube statt der Marseillaise
den Dixie-Klängen aus New Orleans
dabei trug Grossvater verschlissene Jeans
an den Füssen gestrickte Socken in blau
und auf dem Hut eine Feder des Pfau
Grossvater konnte tagelang damit verweilen
ein Gewirr aus Fischernetzen auseinander zu seilen
sein Tag begann hier, ging weiter nach da und endete drüben
derweil lagen seine Projekte wie Kraut und Rüben
im Gedanken-, Versuchs- oder Umsetzungsstadium
herum und einige starben sang- und klanglos, sei`s drum
Putzen, staubsaugen und fegen
machte Grossvater eher verlegen
für persilsauber hatte er nicht wirklich ein Ohr
lebte er noch, hätte er Freude an von Rohr
der meinte «me Dräck» sei, was uns wieder gut tun würde
das wäre voll nach Grossvaters Geschmack, ohne Hürde
badete er ohnehin nicht so oft, aber wenn, dann zum Schreck seiner Frau
draussen im Garten unter freiem Himmel in der Wanne und machte blau
Grossvater war sicherlich ein Unikum
belesen, unkonventionell, mutig, nicht stumm
nahm er nicht einfach so hin, was ist und war
sondern stampfte, heulte, forderte und gebar
so manch gewagte Idee, die den Vergessenen Unterstützung sichern sollte
darob den Behörden der Kopf bersten wollte
Mit Grossvater konnte ich diskutieren
und über die Welt und Ungerechtigkeit lamentieren
schon als Kind nahm er mich ernst und lachte nie
über meine Fragen, Einfälle oder ein aufgeschlagenes Knie
mit ihm entdeckte ich in der SBB die Schweiz
und wir assen Cervelat und Gurken neben der Beiz
Grossvater dachte breit und hatte Vorschussvertrauen
mit ihm nahm ich Motorräder auseinander und durfte in der Werkstatt bauen
wozu mir grad so der Sinn stand
denn Fantasie war etwas, was er fand
der soll man nachgeben und sich nicht scheuen zu fragen
und trotz steinigem Weg gerade jenes wagen
das anderen den Mut sinken lassen will
und lieber laut anprangern statt still
akzeptieren, was andere für einen kochen
eben immer wieder auf die Grundrechte pochen
Grossvater hatte auch seine Fehler und trampelte gerne mal wie ein Elefant
ins Haus und liess eine Kieselsteinspur auf dem Teppich zurück
er war eher sperrig, holzig und verkant
und riss in seiner Sturheit auch einmal eine Brück
zusammen, die er dann mühselig mit eigener Kraft
wieder baute und mit selbstgegorenem Saft
die Gemüter zu beruhigen suchte
dazwischen durchaus einmal leise fluchte
und zu mir meinte, auch mit einem harten Kopf seis mir nicht geraten
durch jede Wand und immer stürmisch los mit dem Spaten
Grossvater hat mit eigenen Händen ein wunderbares Häuschen erstellt
hat Hasen gehalten, Seerosen gepflanzt und 8-Wöchler gepellt
die Mäuse fing er ein, fuhr mit dem Töffli zum Wald
liess sie frei und sah sie bald
wieder daheim, aber das war ihm egal
wer die Wahl hat, hat die Qual
und so machte er einfach alles, wonach ihm das Herze schwoll
ich war von ihm begeistert und fand ihn toll
so einfach sich selbst, voller Widerspruch und verschmitzt
manchmal wünsch ich mir, dass er neben mir sitzt
Und wir wieder zusammen reden und moffen
kurzentschlossen nach Genf per Zug die Kurve kratzen
daheim alle Fenster und Türen offen
und wenn diese Träume dann wie Seifenblasen zerplatzen
wird mir etwas schwer ums Herz und Wehmut schnürt mir ab die Stimme
ich hatte schon als Kind im Sinne
ein Mensch wie Grossvater zu werden
Mich sein und mir die Flausen, Neugier und den Mut bewahren
um hier auf Erden
mit einem klaren
Kopf und grossem Herzen
nachzudenken, auszumerzen
was so ohne Spass einem nur die lange Weile, öden Tritt beschert
und stattdessen sich nicht wehrt
in unbekannte Wasser abzutauchen
am Abend eine Cigarillo rauchen
scharf zu essen, zu Musik im Haus zu tanzen
den alten fellbespannten Ranzen
aus der Schule um die Schulter hängen
Mit dem Schiff im Winde krängen
und an Land am Quai zu lachen
ab der tausend schrägen Sachen
die im Kopfe noch so brodeln
und dann einmal, zweimal jodeln
bis die Kühe muhen und die Grillen fiedeln
fröhlich sich dann anzusiedeln
im Daheim und laut gedacht
mit Grossvater hat mir das Universum DAS Geschenk gemacht
und so machte er einfach alles, wonach ihm das Herze schwoll…
Das gefällt mir! Das mache ich auch!
Mir gefällt schon dein Blue Day Philosophy sehr gut!
Schön gestaltet ist auch dein Gedicht oder Geschichte.
Stimmt auch wirklich alles oder ist vieles frei erfunden?
Spontan ist mir der Grossvater (Bruno Ganz) im Film Vitus in den Sinn gekommen.
Bei Bertram Piccard spüre ich auch viel von deinem Grossvater.
Das muss ja wunderbar gewesen sein! Gratuliere
Liebe Elsbeth
Es freut mich, dass Dir mein Blog gefällt.
Was ich über meinen Grossvater geschrieben habe, entspricht meinem Erleben und es ist kein Wort erfunden. Ja, die Zeit mit ihm war wunderbar und inspiriert mich heute noch, wofür ich Grossvater sehr sehr dankbar bin.
E sunnige Gruess, Manuela
Wunderbar, die Ode an den Opa, den Ätti
ohne wetti oder hätti!
Passt wunderbar zum Song der Popgruppe STS aus Austria. Eben: Grovater. Reinhören lohnt sich.
Lieber Toni
Hab soeben dem Song gelauscht; einfach wunderbar, danke für den tollen Hinweis!
liebe Manuela
du bist schon wie dein Grossvater – herzlich, grosszügig, neugierig, lebhaft, interessiert… und vieles mehr.
Schön, dass es dich gibt! 😊
Du machst mich grad verlegen…., danke!
So ein Grossvater ist ein Geschenk vom Himmel – und Du machst ihm alle Ehre!