Die Tanne grün und mächtig
gedieh eigentlich ganz prächtig
wäre da nicht eine Unebenheit gewesen
doch lasst uns weiterlesen
Es war einmal ein friedsam lebender Gesell
dessen Freud und Glückes Quell
sein Garten, Hof und Hause war
wie’s weiter geht, ist jedem längstens klar
Natürlich teilte diese Freude nicht
sein Nachbar, der kauz’ge Bösewicht
der trug der Welten Ungerechtigkeit auf seiner Schulter schwer
und so häufte sich sein Unmut immer mehr
Schon seit Kindheit ungewollt
hatte ihm keiner Respekt gezollt
weshalb er sich im Rechte fühlte
und fortan kraus in anderer Leben wühlte
Und so griff denn diese Krämerseele in die Tasten
nahm des Nachbarn Tanne grammatikalisch in Schwitzens Kasten
und wollte diesem wuchernden Ungetüm bei Gerichte wenig Beifall nicken
vielmehr motorsägend den schattenspendenden Rücken knicken
Das Getöse laut, die Worte frech
dem lieben Gsell wollt das Herze klopfend in die Höhe reiten
ereilte stattdessen den Kauz das richterliche Pech
liess sich dieses weniger von Worten denn vom Augenscheine leiten
Die Tanne wortmalerisch zu voller Grösse hochstilisiert
war eigentlich nur ein Tännchen, noch kaum frisiert
an Höhe wenig mehr denn ein hölzerner Lineal
als Klageobjekt überhaupt nicht ideal
Glücklich ob der wundersamen Fügung kehrte da der eine
heim und küsste die kleine Tanne, die seine
während der andre um eine Last vergraulter, mürrisch nach Hause ging und auf die Zähne biss
sich setzte und die nächste Streiterei vom Zaune riss
Und die Moral von der Geschicht, meide das Gericht?
Warum eigentlich nicht?
Gedenke ab und zu der Tanne und erinnere Dich
wenn einer laut und tosend von jener des Nachbarn spricht
meint er kaum je wirklich dieses Gewächs, das angeblich in die Höhe spriesst
vielmehr seine Unzufriedenheit, die immer unflätiger ins Kraute schiesst
Danke Manuela für die tiefsinnigen Gedanken.
So oft ist einem nicht bewusst, was einen Menschen dazu bringt, immer wieder Streit vom Zaun zu brechen.
Dabei bin ich selber auch nicht glimpflich davon gekommen.
Von Zeit zu Zeit schleicht sich immer wieder Unzufriedenheit ein, die ich mir sofort verbieten muss.
ÜBEN, ÜBEN und nochmals ÜBEN…
Liebe Elsbeth
Wir sehen immer nur an die Menschen, nicht in sie hinein. Mich verwundert dennoch ab und an das Mass an Unzufriedenheit, das mir begegnet.
Und; es ist selten, dass jemand so unumwunden über seine Schwächen spricht wie Du.
Chapeau! Herzlich Manuela
Genial gedichtet, Manuela! Und schön, wenn man den «Anstoß» für diesen Text kennt! 😉
Alles Liebe, Christina
Ja, die Tanne… oder wie der Baum auch immer heissen mag; das Zillertal lässt grüssen!
Liebe Manuela
So projizieren wir Vieles in unsere Mitmenschen, ohne zu wissen, was tief in uns vergaben liegt.
Lieber Benjamin
Was soll ich sagen, die Projektionen tragen vielfältige Namen…
Schicke liebe Grüsse, Manuela