Schwingfest

Fünf Ringe, Täfeliebuebe, die Bösen, Eichenlaub, Brienzer, Gestellter, Sempach; tönt nach Zutaten für die Schlacht am gleichnamigen See in der Innerschweiz. Nur stört da dann der Brienzer: Vielleicht ein Söldner von ennet dem Brünig? Und die Täfelibuebe, verteilten die irgendeine Krautkugel zur Stärkung vor dem Unvermeidlichen?  Nun, zumindest geht es auch ums Verlieren und Gewinnen. Aber anders als im Krieg stehen die Niedergerungenen gleich wieder auf und es wird Ihnen vom Sieger noch auf den Rücken geklopft, alle Achtung! Schon der Start des Kampfes gestaltet sich verglichen mit dem archaischen Helebarden-Rasseln ziemlich gesittet: Da werden einander die Hände geschüttelt, bevor es zur Sache geht.

Doch der Reihe nach, so ein Schwingfest erschöpft sich ja nicht im Schlussgang. Dass ganze Völkerscharen vor Ort sein werden, lässt bereits die Anzahl Parkzonen vermuten, sieben an der Zahl und jede fussballfeldverschlingend gross. Einfach dem Ameisenstrom folgen und schon leuchtet das Entrée und lädt aufs Festgelände.  Hut, Sonnencrème und -brille, Minzbonbons sowie Heftpflaster kann man getrost daheim liegen lassen, wird einem charmant in die Hände gedrückt beim Passieren der Sponsorenmeile. Und schon bist Du einer der Vielen, die auf den Tribünen sitzen und die Sägemehlkreise mit Argusaugen im Blick halten.

Was gar nicht so einfach ist, denn anders als im Tennis raufen sich die bösen Buben gleich in fünffacher Paar-Ausgabe parallel die Haare und duschen einander mit Spänen, dass einem als Zuschauer  ganz holzig wird. Irgendwie durstig das Ganze und das nicht allein der bränntigen Sonne wegen.

Wenn in zweitausend Jahren einmal ein Archäologen-Team unser Filmmaterial in mühsamer Pixel, Bit & Company-Decodier-Arbeit auseinanderbröselt und sich dann die Sequenzen zu Gemüte führt, werden die Köpfe rauchen beim Versuch einer Interpretation des historischen Materials!

Warum krabbelt da zum Beispiel einer auf allen Vieren in Käfermanier wild entschlossen dem Kreisrand zu und der andere versucht ihn mit Leibeskräften an der übergrossen Kurzhose zerrend  daran zu hindern und im Ring zu behalten? Oder die andere Paarung (wie es im Fachjargon heisst), welche eine endlose Minute lang reglos in ihrer Position verharrt, als stünde sie Modell für eine Eisenplastik! Einer in mühsamer Brüggliposition (das muss man den Männern lassen, beweglich sind die, ein Schilfrohr ist ein Stümper dagegen), den Kopf im Schwitzkasten des andern. Der Andere, den rechten Fuss des Gegners um sein himmelwärts gerichtetes Bein gewickelt, den Kopf im Sägemehl und mit den Armen den Schwitzkasten aufrechterhaltend.

Grausig, diese Verrenkungen! Da können sich die Wissenschaftler etwas erholen, wenn sie den Dritten zuschauen, die Kopf an Kopf, Schulter an Schulter, Hände in des Kontrahenten Leinen festgekrallt mit gesenkten Häuptern im Passgang Schritt für Schritt das Territorium abschreiten, als wollten sie jeden Quatratzentimeter mindestens einmal niedergetrampelt haben. Und das ganze ereignislose sechs Minuten lang, sodass der Täfelibueb eine Null hinter die beiden Teilnehmerzahlen schieben kann: Gestellt, pffff! Hat also nichts mit der freiwilligen Rückkehr eines Flüchtigen zu tun.

Ja der Täfelibueb, er hat zu tun, die Nummer des Kämpfers und das Plus, Minus und Null; damit ist zu jonglieren, er macht es gut, hat etwas vom Balljungen, nur rennt er keinen Bällen nach, stolz ist er sicher dennoch auf seine Aufgabe. Überhaupt atmet die ganze Spielanlage etwas Heldenhaftes. Nicht Brot und Spiele, vielmehr mächtig Frieden ohne Krieg und damit wäre auch der Sempach geklärt: Kein Flurname, sondern einer der ganz «Bösen», die keiner Fliege etwas zuleide tun, aber Kraft auf sich vereinen und Taktik. Und Sempach deshalb, weil man in dieser Schwingergilde stets mit dem Nachnamen beginnt. Käme doch niemandem in den Sinn von Willi Graber zu sprechen? Wo denkst Du hin! Das ist der Graber Willu, alles klar?!

Noch ein Wort zur heiligen Stille, die sich im Schlussgang über das Festgelände legt: Ein krasser Gegensatz zu übrigen Sport-Showdowns. Wo andernorts gepfiffen und gebrüllt wird, verstummen hier die Mäuler und einzig das Lüftchen, das etwas Kühlung bringt, unterbricht die gespenstische Ruhe. Die Spannung ist greifbar, die Atmosphäre fast andächtig und man hofft und bangt hier innerlich, gegen aussen dringt kein Laut.

Irgendwie bezeichnend für das ganze Fest, die Menschen hier sind zfride in einträchtigem Miteinander, den Rucksack kannst Du getrost zwei Stunden auf Deinem Stuhl liegen lassen, der ist und bleibt dort unangetastet. Selbst die Angetretenen akzeptieren ohne Lamentieren den Kampfrichterentscheid; Sieg ist Sieg, Niederlage bleibt Niederlage, ohne Wenn und Aber. Und das Eichenlaub?

Das sieht jetzt besser aus als alles, was man gewinnen kann; sogar der «Plämpu» hat da keine Chance. Ein Hauch Cäsar für die unbezwingbaren Helvetier, ist doch schwer in Ordnung! Und gewichtig ist auch des Kranzes Begleiter; den blumengeschmückten Muni würde ich gern grad selbst nach Hause nehmen. Zumindest so lange, wie er brav in die Gegend blinzelt und nicht zu schnauben beginnt…

Einzig etwas wurmt mich: Der Stucki Chrigu zog heute nicht in die Schlacht. Ich hätt doch so gerne Grossvaters Bonmot «Umm mit Stucki» unerhört gesehen; sei’s drum, der nächste Hoselupf ist nicht weit.

 

4 thoughts on “Schwingfest

  1. mit dir, also mit deinem text, bin ich mittendrin, liebe gebert manuela. und lachen durfte ich dabei auch. so bequem in der stube, ohne sagmehl zwar, ohne diese angespannte stille zu hören und der fliege nachzuschauen, nach der keiner der bösen geschlagen hat, aber doch nah dabei!

    1. Jetzt hast Du mich erwischt! Ich dachte beim Lesen so, nanu, lustig diese Anrede, gleichwohl ungewohnt und der «Zwänzger» brauchte eine zweite Leserunde, bis er gefallen ist und dort ziemliches Gelächter ausgelöst hat…!!! Herrlich, Pfanner Katharina; das Wesen der Anrede in der Schwingerwelt hast Du schneller verinnerlicht als ich… verregnete Grüsse in die bequeme Stube, Gebert Mäni (die Berner neigen ja dazu, liebevoll jeden Vornamen kurz und klein zu hacken…)

  2. Liebe Manuela, jetzt hab ich mich schlicht köstlich amüsiert beim Schwingfest in Buchstabenform. So lustig, so haargenau, so richtig und echt. Ich merke du hast den Tag förmlich eingesaugt, mit allen Facetten genossen und deine Sinne gekitzelt. Ich gönne dir irgendwo, irgendwann einen Gang mit Stucki Chrigu. Also natürlich als Zuschauerin! Schwingen mit diesem Block von einem Menschen muss gewaltig sein. Schon das Zusammengreifen raube den Atem meinen Eingefleischte. Ich bin grad richtig aufgekratzt und freue mich extrem auf den nächsten Schwingersonntag, irgendwo, irgendwann noch in diesem Sommer.
    Ich grüsse dich
    Franziska

    1. Liebe Franziska, Du hast mir grad Mut gegeben, dem Stucki Chrigu zu schreiben resp. seinem Manager (hab bis dato nicht gewusst, dass auch Schwinger auf diesen Support angewiesen sind, was natürlich zeigt, welche Grösse der Chrigu auch im übertragenen Sinne geworden ist). Hab nachgefragt, wann der eratische Block wieder in Bewegung gerät und die Helden erzittern und uns Zuschauer frohlocken lässt. Frisch gewagt ist halb gewonnen; mau luege, was ich zur Antwort erhalten werde. Dir e liebe Gruess us de Bärge, Manuela

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