Mit dem geschlossenen Auge noch im Traumland, mit dem andern in den erwachenden Morgen blinzeln. Nachtwärme und Stille um sich, der Blick zum Fenster hinaus in die Berge und den Himmel, der jeden Morgen eine andere Malerei bereit hält. Fröhlich aufstehen, das perlende Nass der Dusche auf der Haut, die jeden Quadratzentimeter weckt, in die Kleider schlüpfen, die Schuhe schnüren und aus dem Haus in den jungen Morgen.
Mich führt der Weg den Hang hinauf, vorab die weisse Schäferhündin, die jedem Geruch nachgeht und immer wieder kurz zurückschaut, ob ich auch nachkomme. Die ersten Tännchen, Steinformationen, Wurzelstöcke nehmen mich in Empfang, es geht in den Wald hinein. Rechts das Bächlein, das lustig zwischen Grasbüscheln über treppenförmige Steine hüpft. Links lose beeinander stehende Lärchen, die als gelbliche Pinselstriche vor dem dichter werdenden Tannenwald leuchten. Unter den Schuhen knirschen Steinchen, ich höre von weitem den grossen Bach, der tosend sich über aufeinandergetürmte Felsen stürzt und rasant ins Tal hinabdonnert.
Wir zweigen ab auf unsern Zwergenweg. Mittlerweile ist er gesäumt von orange-rötlich schimmernden Gräsern, die das dunkle Grün der Erika wie Baldachine überspannen. Der Wald präsentiert sich in allen Herbstfarben, hellgelb die Birken, blutorange die Hagebuttensträucher, purpurrot die Berberitze, blutrot die Buche. Ein Tannenhäher kündigt uns den Waldbewohnern mit seinem Rufen an, ansonsten ist es still wie in einer Kirche. Wir ducken uns unter Ästen hindurch, schlängeln uns an Jungbäumchen vorbei, die den Weg in Beschlag nehmen wollen und ich sammle ein paar herumliegende Föhrenzapfen ein. Es riecht himmlisch nach Moos, Morgentau und Baumrinde.
Wie wir aus dem dichten Wald auf den Höhenweg gelangen, bricht sich die Sonne Bahn durch träge Morgenwolken und taucht den ganzen Hang in pures Gold. Mir geht das Herz auf und ich bleibe stehen in diesem gleissend-warmen Licht. Beschwingt und leichten Schrittes führt mich der Weg sanft durch Alpweiden in unser Dorf zurück, wo aus dem einen und andern Kamin bereits ein kleines Räuchlein steigt. Auf mich wartet mein Mann mit einem feinen Frühstück und einer dampfenden Tasse Kaffee. Ich fühl mich wunderbar gestärkt für den heutigen Tag; mein Morgenritual möchte ich nicht missen und freu mich über diese geschenkte Ladung Energie.
Wunderschöne Beschreibung des Erlebten. Geniessen mit all den Sinnen.
Schön, dass es noch Menschen gibt, die diese Wunder der Natur noch sehen.
In Dankbarkeit, diesen Traumzwergenpfad erlebt zu haben.
Liebe Manuela
An dieses Glücksgefühl kann ich mich erinnern!
Danke, dass ich auf diese Weise mal wieder daran Teil haben durfte. Dein Text wird lebendig und ich streife mit euch durch den Märchenwald in seiner ganzen Herbstfarbenpracht und die Sonne kitzelt die Nase und der Kaffee duftet verlockend…
Herzlichen Dank 😊 Anita
Ich konnte voll in die Morgenstimmung eintauchen und es hat mich erfrischt! Auch die Erinnerungen an unsere Schäferhündin wurden wieder geweckt.
Wie schön für dich, liebe Manuela, eine so angenehme Gefährtin als Begleiterin zu haben.
Den Tag so zu beginnen ist wunderbar, du bist aufgehoben und in dir stark. Geniesse es!